Südtirol im Frühmittelalter: Von den Langobarden zur bajuwarischen Besiedlung
Mit dem Untergang des Weströmischen Reichs im Jahr 476 n. Chr. und später dem Fall des Ostgotenreichs durch die Byzantiner im Jahr 553 n. Chr. trat Südtirol in eine Phase tiefgreifender politischer und kultureller Umbrüche ein. Neue Herren über das Gebiet wurden die Langobarden, die ab 568 weite Teile Italiens eroberten und das Herzogtum Trient errichteten, zu dem der südliche Teil des heutigen Südtirol gehörte.
Die bajuwarische Besiedlung und die Entstehung der Tiroler Identität
In den folgenden Jahrhunderten – insbesondere nach der Expansion des Herzogtums Bayern – begann eine intensive Besiedlung durch die Bajuwaren, ein germanisches Volk aus dem heutigen Bayern. Dieser Prozess verstärkte sich ab dem 8. Jahrhundert, nachdem die Franken unter Karl dem Großen die Langobarden unterworfen und Südtirol in das Karolingerreich eingegliedert hatten.
Die Bajuwaren ließen sich vor allem im Eisacktal, im Pustertal und im Vinschgau nieder. Aus ihrer Kultur entwickelte sich die heutige deutschsprachige Bevölkerung Südtirols. Die Germanisierung vollzog sich schrittweise, unterstützt durch die Ausbreitung des bayerischen Mönchtums, das Kirchen und Klöster – etwa das Kloster Neustift – gründete und zur Etablierung der deutschen Sprache beitrug.
Warum siedelten sich die Bajuwaren in Südtirol an?
Die Gründe für ihre Migration waren vielfältig:
- Gebietserweiterung des Herzogtums Bayern, das die Kontrolle über die Alpenrouten nach Italien anstrebte.
- Hungersnöte und Überbevölkerung in Bayern, die viele Familien zur Suche nach neuem Ackerland trieb.
- Wirtschaftliche Chancen in einer Region mit reichen Weiden und natürlichen Ressourcen.
Trotz der bajuwarischen Expansion bewahrten einige Alpentäler ihre rätoromanische Sprache und Kultur – daraus gingen die heutigen ladinischen Volksgruppen hervor.
Im Laufe des Mittelalters entwickelte sich Südtirol so zu einem Schnittpunkt zwischen germanischer und lateinischer Welt, dessen Einflüsse noch heute in Sprache, Brauchtum und Kultur spürbar sind. Das Miteinander von Deutschen, Ladinern und Italienern hat eine einzigartige Identität geschaffen, die sich über Jahrhunderte hinweg durch Begegnung und Wandel geformt hat.
Wer heute Südtirol besucht, begibt sich in ein Land, in dem jedes Tal eine andere Geschichte erzählt – Geschichten von Begegnungen, Konflikten und kulturellen Verschmelzungen.